Begemot GmbH im Handelsblatt Nr.112 (13.06.2014)

In Zei­ten des Fach­kräf­te­man­gels ent­de­cken Start-​​ups ein neues Geschäfts­mo­dell: Sie ver­mit­teln, bera­ten und betreuen Spe­zia­lis­ten aus dem Aus­land.

Von Chris­tian Wermke und Ste­fani Her­gert

Unter­neh­men wie Inter­na­ti­ons haben die Fach­kräfte aus dem Aus­land als Ziel­gruppe ent­deckt. Sie bie­ten maß­ge­schnei­derte Ange­bote für die Zuwan­de­rer oder die Unter­neh­men, die sie ein­stel­len. Denn jeman­den zu fin­den und anzu­heu­ern ist nur der erste Schritt – viel schwie­ri­ger ist es, die neuen Kol­le­gen auch zu hal­ten.
Die Start-​​ups machen aus der Not ein neues Geschäfts­mo­dell. Denn seit den 70er-​​Jahren bekom­men die Deut­schen zu wenig Kin­der. Die Folge sind nicht nur düs­tere Pro­gno­sen für die Ren­ten– und Sozi­al­kas­sen, son­dern auch eine immer grö­ßer wer­dende Lücke auf dem Arbeits­markt. Der­zeit feh­len laut dem Insti­tut der deut­schen Wirt­schaft Köln (IW) allein mehr als 117 000 Spe­zia­lis­ten aus den Berei­chen Mathe­ma­tik, Infor­ma­tik, Natur­wis­sen­schaf­ten und Tech­nik. Deutsch­land braucht aber auch Kran­ken­pfle­ger, Erzie­her und Ärzte. Bis 2025 könn­ten dem Arbeits­markt rund 6,5 Mil­lio­nen Men­schen weni­ger zur Ver­fü­gung ste­hen als heute, hat die Bun­des­agen­tur für Arbeit errech­net.Die Zuwan­de­rer vor allem aus den euro­päi­schen Kri­sen­län­dern, von denen immer mehr das Leben und Arbei­ten in Deutsch­land als einen Weg aus der Arbeits– und Per­spek­tiv­lo­sig­keit in der Hei­mat sehen, sind also eigent­lich hoch­will­kom­men. Laut den jüngs­ten Zah­len vom Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt hat Deutsch­land 2013 nach Abzug derer, die weg­ge­zo­gen sind, rund 460 000 Neu­bür­ger aus dem Aus­land bekom­men.
Das Land der Dich­ter und Den­ker ist damit hin­ter den USA Ein­wan­de­rungs­land Num­mer zwei inner­halb der Industriestaaten-​​Organisation OECD. Hinzu kommt, dass die Zuwan­de­rer immer bes­ser aus­ge­bil­det sind. Das Pro­blem aller­dings: Nur jeder Zweite der 2012 Zuge­wan­der­ten blieb laut OECD län­ger als ein Jahr, von denen, die 2011 ins Land kamen, war es nur jeder Dritte.
Denn eine wirk­li­che Will­kom­mens­kul­tur kennt Deutsch­land nicht, es ist müh­sam, sich auf den Gän­gen von Behör­den, Ämtern und Ein­rich­tun­gen zurecht­zu­fin­den, den rich­ti­gen Ansprech­part­ner für den Umzug, Sprach­kurs oder die Aner­ken­nung der Aus­bil­dung und Zeug­nisse aus­zu­ma­chen.
Arbeits­markt­ex­per­ten wie Axel Plün­ne­cke vom IW sind über­zeugt, dass vor allem klei­nere und mitt­lere Unter­neh­men ihre neuen Mit­ar­bei­ter dabei nicht kom­plett unter­stüt­zen kön­nen, obwohl sie in den nächs­ten Jah­ren wohl am stärks­ten vom Fach­kräf­te­man­gel betrof­fen sein wer­den. “Hier gibt es einen Bedarf”, sagt Plün­ne­cke. Vor allem für Start-​​ups, die sich auf bestimmte Berufs­bil­der, Bran­chen und Regio­nen spe­zia­li­sie­ren. Wie groß der Markt wer­den könnte, hängt von der Poli­tik ab. “Wenn sich Deutsch­land stär­ker für Aus­län­der aus Nicht-​​EU-​​Staaten öff­net, ist das Poten­zial erheb­lich”, sagt Alex­an­der Kri­ti­kos, Grün­der­for­scher am DIW in Ber­lin.
Zwar hel­fen auch die Außen­han­dels­kam­mern, geeig­nete Bewer­ber zu fin­den, und Hand­werks­kam­mern sowie Indus­trie– und Han­dels­kam­mern unter­stüt­zen hier­zu­lande jene Unter­neh­men, die Spe­zia­lis­ten aus dem Aus­land ein­stel­len wol­len. “Doch öffent­li­che Anbie­ter tun sich schwer, den gesam­ten Pro­zess aus einer Hand anzu­bie­ten”, sagt Plün­ne­cke.
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Die Spra­che ist noch immer eine der größ­ten Hür­den für aus­län­di­sche Fach­kräfte. In jun­gen Start-​​ups oder Kon­zer­nen mag Eng­lisch selbst in den Kaf­fee­kü­chen gespro­chen wer­den, der deut­sche Mit­tel­stand tut sich damit schon in den Büros schwer. Auch des­halb legen viele Per­so­nal­ver­mitt­ler Wert dar­auf, dass Bewer­ber aus dem Aus­land Deutsch schon in ihrer Hei­mat ler­nen und mit guten Kennt­nis­sen ankom­men.
Viel­leicht hal­ten sich die Arbeit­ge­ber auch wegen der Sprach­bar­rie­ren noch zurück. Bei einer Befra­gung der IW Con­sult aus dem Jahr 2013 zogen weni­ger als 15 Pro­zent der vom Fach­kräf­te­man­gel betrof­fe­nen klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men aus­län­di­sche Bewer­ber über­haupt in Betracht, bei den Groß­un­ter­neh­men ist es immer­hin ein Drit­tel.
Je grö­ßer aber die Not, desto eher schei­nen auch die Fir­men bereit zu sein, neue Wege zu gehen. In den deut­schen Kin­der­gär­ten jeden­falls, die wegen des mas­si­ven Aus­baus der ver­gan­ge­nen Jahre über viel zu wenig Erzie­her kla­gen, scheint man ein Stück wei­ter zu sein. So weit, dass Nata­liya She­vchenko dafür aus der Finanz­bran­che aus­stieg und zur Unter­neh­me­rin wurde.
Die gebür­tige Ukrai­ne­rin sucht mit ihrer Firma Bege­mot päd­ago­gi­sche Fach­kräfte im Aus­land, vor allem in Ost­eu­ropa – Ungarn, Slo­wa­kei oder Kroa­tien etwa. Gerade war sie zum ers­ten Mal auf einer Job­messe in Polen. Um Fach­kräfte zu fin­den, arbei­tet sie mit Uni­ver­si­tä­ten und Arbeits­agen­tu­ren zusam­men. 14 Kun­den hat das 2013 gegrün­dete Unter­neh­men, dar­un­ter auch ein über­re­gio­na­ler Trä­ger, der 150 Ein­rich­tun­gen hat. 20 bis 24 Spe­zia­lis­ten zu ver­mit­teln haben sich She­vchenko und ihre zwei fes­ten und zwei freien Mit­ar­bei­ter für die­ses Jahr vor­ge­nom­men, 16 sind es bis­her. Die Jung­un­ter­neh­me­rin hat die Geschäfts­idee mit Kom­mi­li­to­nen in ihrem berufs­be­glei­ten­den Manage­ment­stu­dium an der Mann­heim Busi­ness School ent­wi­ckelt. Gegrün­det hat die 34-​​Jährige dann aber allein.
Ihr Geschäfts­mo­dell: Die Kita­trä­ger zah­len eine Pau­schale von weni­ger als ein­ein­halb Monats­ge­häl­tern, wenn der neue Mit­ar­bei­ter anfängt zu arbei­ten. Das ist für viele Trä­ger zwar neu, doch gerade die Pri­va­ten sind hier offen. “Fast alle pri­va­ten Kin­der­gär­ten wür­den Ver­mitt­lungs­ge­büh­ren zah­len, weil Fach­kräfte so rar sind”, sagt Phil­ipp Hauß­mann, Chef des Bil­dungs­un­ter­neh­mens Klett, das Kitas betreibt und eine Toch­ter­firma hat, die eben­falls in den Markt der Ver­mitt­lung von Fach­kräf­ten drängt. Auch andere Per­so­nal­ver­mitt­lun­gen haben die Kita-​​Nische ent­deckt.
She­vchenko hat von ihren Kun­den erfah­ren, dass es genauso wich­tig ist, die Mit­ar­bei­ter zu hal­ten. Ihnen dabei zu hel­fen soll ihr zwei­tes Stand­bein wer­den.